Warum Transformationsfinanzierungen für eine erfolgreiche Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsagenda entscheidend sind

Externe Autoren | 20.07.2023 | Frank Scheidig

Frank Scheidig ist Global Head of Senior Executive Banking bei der DZ BANK AG. Er ist außerdem Mitglied des Sustainable Finance-Beirats in der 20. Legislaturperiode. In diesem Blog-Beitrag schreibt er darüber, warum Transformationsfinanzierungen für eine erfolgreiche Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsagenda entscheidend sind.


Wir müssen mit dem klassischen "Schwarz-Weiß-Denken" aufräumen

Die deutsche Realwirtschaft befindet sich derzeit in einem grundlegenden Transformationsprozess. Es sind massive Investitionen nötig, um Geschäftsmodelle, Produktionsmethoden und Prozesse zukunftsfähig zu machen und damit die Chancen der nachhaltigen Entwicklung zu nutzen.

Der Bedarf an Transformationsfinanzierungen zur erfolgreichen Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsagenda ist daher unbestritten. Dabei ist es notwendig, mit dem klassischen Schwarz-Weiß-Denken Schluss zu machen.

Wir können eine de-karbonisierte und nachhaltigere Welt nicht erreichen, indem wir uns ausschließlich auf wirtschaftliche Aktivitäten konzentrieren, die bereits "dunkelgrün" sind. Wir können einen viel größeren positiven Einfluss auf die globale Nachhaltigkeitsagenda ausüben, indem wir dazu beitragen, "braune" Geschäftsmodelle und Branchen "hellbraun" oder "hellgrün" zu machen, anstatt bereits "dunkelgrüne" Aktivitäten noch eine Nuance grüner zu streichen

Entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Transformationsfinanzierung: Geschwindigkeit, Instrumente, Zusammenarbeit

Ohne schnelle und tiefgreifende Emissionssenkungen in allen Sektoren ist eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C nicht erreichbar. Wirksame Maßnahmen erfordern konzertierte und ausreichende Investitionen, denn wir wissen, dass die Kosten der Untätigkeit viel höher sein werden.

Die gute Nachricht ist, dass wir über alle Instrumente und das nötige Wissen verfügen, um die Erwärmung zu begrenzen. Wir müssen uns jedoch beeilen.

Das bedeutet auch, dass die Marktinstrumente ausgeweitet und breiter und gerechter eingesetzt werden müssen, um unmittelbare Emissionssenkungen zu unterstützen und Innovationen zu fördern.

Nehmen wir den Markt für festverzinsliche Wertpapiere als Beispiel.

Transition Bonds sind ein neues festverzinsliches Instrument, das sich in die Reihe der nachhaltigen Anleihen mit dedizierter Erlösverwendung (sog. Use-of-Proceeds-Anleihen) einreiht. Sie sollen es Emittenten aus weniger nachhaltigen Sektoren wie der Gas-, Chemie- oder Luftfahrtbranche ermöglichen, einen schrittweisen Übergang zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell zu finanzieren. Die Erlöse aus der Emission von Transition Bonds könnten zum Beispiel zur Finanzierung von Transformationstechnologien verwendet werden, die den Übergang zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell ermöglichen.

Viele Investoren sehen auch zielgebundene Strukturen (sog. Target-Linked-Anleihen) als geeignetes Instrument für die Transformationsfinanzierung an. Im Gegensatz zu den oben erwähnten Use-of-Proceeds-Transition Bonds konzentrieren sie sich auf die Transformation des Emittenten als Ganzes. Target-Linked Bonds sind zukunfts- und leistungsorientierte Finanzinstrumente, bei denen sich Emittenten explizit zu zukünftigen Verbesserungen von Nachhaltigkeitskriterien innerhalb eines vordefinierten Zeitrahmens verpflichten. Die Nachhaltigkeitsentwicklung wird anhand von vordefinierten Leistungsindikatoren (sogenannten KPIs) gemessen und anhand von Nachhaltigkeitszielen bewertet. Die Finanzierungskosten der zielgebundenen Anleihen sind an die (Nicht-)Erreichung dieser Nachhaltigkeitsziele gekoppelt. Wenn der Emittent die Ziele nicht erreicht, wird die Finanzierung teurer.

Ein weiterer entscheidender - wenn nicht sogar der entscheidendste - Faktor ist, dass alle relevanten Akteure auf dem Kapitalmarkt zusammenarbeiten müssen, um einen Weg zu einer erfolgreichen nachhaltigen Transformation einzuschlagen.

Jeder muss einen Beitrag zum Transformationsprozess beisteuern

Der Wettlauf um das Erreichen von Netto-Null-Emissionen bis 2050 erfordert, dass alle Sektoren ihren Beitrag leisten. Daher müssen viele Emittenten in diesen Sektoren ihre Geschäftsmodelle völlig neu überdenken. Einigen von ihnen wird die Dekarbonisierung leichter fallen. Andere stehen vor großen Herausforderungen und müssen erst noch das Wie und das Wann herausfinden. Das ist völlig in Ordnung. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Es ist nicht möglich, über Nacht netto null zu werden. Die Reise von tausend Meilen beginnt stets mit dem ersten Schritt. Um in die richtige Richtung zu gehen, bedarf es einer Übergangszeit.

Daher müssen Banken, deren Rolle sich zunehmend von einem traditionellen Finanzintermediär zu einem nachhaltigen Finanzintermediär wandelt, zu einem verlässlichen Partner für Transformationskandidaten werden, die ihre glaubwürdigen Transformationsambitionen zum Beispiel durch den Markt für nachhaltige festverzinsliche Wertpapiere zum Ausdruck bringen.

Auch Zentralbanken sind zunehmend gefordert, neue Aufgaben bei der Unterstützung der Transformation zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu übernehmen, da sie in einer starken Position sind, um die Finanzierung der Transformation sowohl über die Geldpolitik als auch über die Finanzregulierung zu beschleunigen. Die Finanzstabilität ist ein Schlüsselelement ihres Mandats, und klimabedingte Risiken stellen zweifellos systemische Risiken für das Finanzsystem dar (durch physische, Haftungs- und Übergangsrisiken). Wichtig ist, dass Zentralbanken dabei kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht außer Acht lassen. Sie machen das Gros der deutschen Wirtschaft aus und bilden das Rückgrat für eine erfolgreiche nachhaltige Transformation der deutschen Realökonomie.

 

Autor: Frank Scheidig

Frank Scheidig ist Global Head of Senior Executive Banking bei der DZ BANK AG. Er ist außerdem Mitglied des Sustainable Finance-Beirats in der 20. Legislaturperiode.

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