Europäische Standards für Nachhaltigkeitsberichte – EU nimmt Entwurf der
delegierten Verordnung an

IB.SH Fachwissen | 23.08.2023 | Dr. Christine Bertram

Die Neuregelung der Berichtspflichten zu Nachhaltigkeitsthemen ist ein Kernelement des EU-Aktionsplans von 2018. Die EU setzt diesen Punkt nun mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) um, die im Januar 2023 in Kraft getreten ist. Die übergeordnete Richtlinie wird durch konkretisierende Berichtsstandards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) ergänzt. Die von der EU Kommission im Juli 2023 angenommenen Standards weichen dabei teilweise deutlich von den ursprünglichen Vorschlägen der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) ab. 


Ziel und Inhalt der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Die EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) hat das Ziel, die Nachhaltigkeit in der Berichterstattung integral zu behandeln und sukzessive finanziellen Themen gleichzustellen. Das bedeutet, dass zu berichtende Themen verbindlich festgelegt und durch Kennzahlen ergänzt werden. Außerdem wird es in Zukunft eine Prüfpflicht für die Nachhaltigkeitsberichterstattung geben. Die CSRD gehört zu den wesentlichen Maßnahmen aus dem EU Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Nach dem ersten Entwurf der Europäischen Kommission aus April 2021 wurde die CSRD schließlich am 16.12.2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und ist am 05.01.2023 in Kraft getreten.

Mit der CSRD wird der Umfang der Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit um eine Vielzahl von Informationen und konkrete Kennzahlen zu ökologischen, sozialen und Governance-Themen erweitert. Außerdem vergrößert sich der Anwenderkreis: In Zukunft müssen große Unternehmen (mit mehr als 250 Mitarbeitenden und beim Überschreiten bestimmter Grenzwerte für Bilanzsumme und Umsatz) sowie kapitalmarktorientierte KMU einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Große Unternehmen, die bereits jetzt verpflichtet sind, eine nicht-finanzielle Erklärung zu veröffentlichen, müssen ab 2025 für das Berichtsjahr 2024 erste Angaben gemäß CSRD veröffentlichen. Für neuverpflichtete KMU gilt die Berichtspflicht frühestens ab dem Jahr 2027 für das Berichtsjahr 2026.

Neuester Stand bei den European Sustainability Reporting Standards

Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichtspflicht wird über Standards geregelt. Die neuen europäischen Standards heißen European Sustainability Reporting Standards, kurz ESRS. Diese wurden von der EFRAG erarbeitet. Im November 2022 veröffentlichte die EFRAG schließlich ihren Vorschlag für einen ersten Satz der ESRS. Sie umfassen zwei grundlegende Standards (ESRS 1 & 2), fünf Standards zu Umweltthemen (ESRS E1 bis E5), vier Standards zu sozialen Themen (ESRS S1 bis S4) sowie einen Standard zur verantwortungsvollen Unternehmensführung (ESRS G1).

Seit November 2022 hat sich die EU Kommission intensiv mit den Standards befasst. Nach einer Entwurfsfassung vom 9. Juni 2023 wurde nun die finale Fassung der delegierten Verordnung durch die EU-Kommission angenommen, in der die ESRS verankert sind. Diese Fassung beinhaltet deutliche Veränderungen gegenüber den ursprünglichen Entwürfen der EFRAG. Zwar wurde der Satz aus 12 Standards beibehalten, die Vorschriften wurden aber deutlich erleichtert. Dies dürfte auch auf eine Rede der EU-Kommissarin Ursula von der Leyen am 15.03.2023 zurückzuführen sein, während der sie eine 25%ige Reduktion von Berichtspflichten angekündigt hat.

Konkret gab es unter anderem folgende Änderungen an den ESRS:

  • Nur die Berichterstattung zum grundlegenden Standard ESRS 2 ist verpflichtend. Darunter fällt auch die Beschreibung der Prozesse zur Beurteilung der Wesentlichkeit von Auswirkungen, Chancen und Risiken in Bezug auf ökologische und soziale Themen, die in den weiteren Standards genannt sind. Darüber hinaus gehende Berichterstattung zu den thematischen Standards ist abhängig von der Wesentlichkeitsanalyse der Unternehmen.
  • Der Umfang der Übergangsregelungen wird in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße und einer bereits bestehenden Berichtspflicht erweitert. Vollständige Berichterstattung für alle Unternehmen ist ab 2029 für das Berichtsjahr 2028 vorgesehen.
  • Mehr Angaben auf freiwilliger Basis anstatt einer strengen Verpflichtung. Zu den freiwilligen Angaben zählt auch die Angabe, warum ein Nachhaltigkeitsthema als nicht wesentlich eingestuft wird. Lediglich für das Thema Klimawandel (ESRS E1) gibt es eine Ausnahme: Stuft ein Unternehmen dieses Thema im Rahmen seiner Wesentlichkeitsanalyse als unwesentlich ein, muss es dies umfassend erklären. 
  • Verbesserung der Kohärenz mit anderen Elementen der EU-Regulierung
  • Vereinbarkeit mit internationalen Standards, z.B. mit denen des International Sustainability Standards Board (ISSB)

Die EU Kommission verfolgt mit den Erleichterungen das Ziel, die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Berichtspflicht insbesondere zu Beginn und für kleinere Unternehmen sicherzustellen. Für Banken, Investoren und andere Stakeholder ergibt sich hieraus allerdings auch eine Schwierigkeit, da nicht von vorne herein klar ist, welche Unternehmen zu welchen Nachhaltigkeitsthemen berichten und welche als unwesentlich ausgespart werden.

Wie geht es weiter?

Die delegierte Verordnung wird nun durch das EU Parlament und den Rat geprüft. Erheben sie keine Einwände, tritt der delegierte Rechtsakt in Kraft und kann im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden.

Sobald die ESRS final veröffentlicht sind, haben die Unternehmen in der EU eine klarere Leitplanke, in welche Richtung sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt. Auf nationaler Ebene wird dies dadurch flankiert werden, dass nationale Rechnungslegungsstandards weiterentwickelt und angepasst werden. In Deutschland ist dies durch das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) zu erwarten.

Darüber hinaus sind auf EU-Ebene weitere Standards in Vorbereitung. So wird die EFRAG zusätzlich zum ersten Satz weitere branchenspezifische Standards entwickeln, die dann ebenfalls den Legislativprozess der EU durchlaufen müssen. Der Arbeitsstand zu den Branchenstandards lässt sich auf der Internetseite der EFRAG nachverfolgen. Die EFRAG plant außerdem, weitere Handreichungen zur Anwendung und Umsetzung der ESRS zu veröffentlichen.

Die Unternehmen müssen sich also auf weitere Berichtspflichten zu Nachhaltigkeitsthemen einstellen. Dabei ist eine möglichst zeitnahe Erarbeitung zu begrüßen – einerseits um den Unternehmen Planungssicherheit zu bieten und andererseits, um Nachhaltigkeitsziele erreichen zu können. Ein wesentlicher Balanceakt bei der Umsetzung der Standards wird sein, eine möglichst hohe Vergleichbarkeit und Verbindlichkeit mindestens für Kernthemen sicherzustellen, ohne die Unternehmen übermäßig zu belasten. Denn letztlich werden Banken, Investoren aber auch Zulieferer, Abnehmer und andere Stakeholder auf vergleichbare und verlässliche Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen angewiesen sein.

 

Autorin: Dr. Christine Bertram

Dr. Christine Bertram ist die Sustainable Finance Beauftragte bei der IB.SH.

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