ESG-Risiken rücken stärker in den Fokus

IB.SH Fachwissen | 03.01.2024 

Durch die 7. Novelle der MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement) wurden die bisher unverbindlichen Empfehlungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zu verbindlichen Anforderungen, welche alle deutschen Kreditinstitute zu erfüllen haben.


Was bedeutet dies konkret?

Mit Einführung der MaRisk 8.0 im Juni 2023 sind die Kreditinstitute dazu verpflichtet, ESG-Risiken in ihren Risikomanagementprozessen zu berücksichtigen. Dies reicht von Kreditentscheidungsprozessen, über die Quantifizierung im Risikocontrolling und die Berücksichtigung in Auslagerungen bis hin zu strategischen Fragestellungen der Institute.

ESG steht dabei für Environmental, Social and Governance, zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Unter ESG-Risiken werden negative Einflüsse aus E, S und G auf die Vermögens-, die Finanz- oder die Ertragslage verstanden.

ESG ist dabei kein abstraktes Thema, sondern eine reale Bedrohung, wie es z. B. die Ostseesturmflut im Oktober 2023 mit einer Vielzahl von Schäden erschreckend vor Augen geführt hat.

ESG-Risiken haben verschiedene Ausprägungen. Die bekanntesten sind Klimarisiken, also Risiken, die mit der zunehmenden Erderwärmung einhergehen. Es wird unterschieden zwischen physischen und transitorischen Risiken. Physische Risiken drücken sich durch akute Ereignisse wie z. B. Überschwemmungen, Stürme, Dürren oder Waldbrände aus. Ebenso gehören chronische Veränderungen wie der Anstieg des Meeresspiegels oder der Verlust der Artenvielfalt durch die Erderwärmung dazu. Transitorische Risiken entstehen durch Anpassungsprozesse an eine nachhaltigere Wirtschaft, insbesondere im Zuge der Dekarbonisierung. Dies kann sich in gesetzgeberischen Vorgaben ausdrücken, indem bestimmte Technologien besteuert oder verboten werden, aber auch in einem veränderten Verbraucherverhalten aufgrund eines gestiegenen Umweltbewusstseins, wodurch bestimmte Produkte weniger nachgefragt werden. Letzteres kann auch bei S und G beobachtet werden, wenn Verbraucher Produkte oder Dienstleistungen von Unternehmen meiden, welche kontroverse Produktionsbedingungen in ihren Lieferketten dulden.

Wie können sich ESG-Risiken auf Banken auswirken?

Ein ESG-Risiko kann auf verschiedenen Art und Weisen auf ein Institut wirken. Eine Überschwemmung kann sich auf die Sicherheiten einer Immobilienfinanzierung negativ auswirken, indem das besicherte Gebäude beschädigt oder sogar zerstört wird, insbesondere dann, wenn der Schaden nicht über eine Versicherung abgesichert ist. Gleichzeitig kann eine Überschwemmung sich auch negativ auf die Bonität einer Kreditnehmerin auswirken, wenn z. B. eine Produktionshalle überschwemmt wird und dies zu Produktionsausfällen und damit Ertragseinbußen führt. Ein weiteres Szenario, wäre die Überschwemmung eines Bankgebäudes, welches zu einem Gebäudeschaden, Arbeitsunterbrechungen und damit Zusatzaufwänden führt.

Ein erster Schritt zum Steuern von ESG-Risiken besteht darin, sich bewusst zu machen, welchen ESG-Risiken das eigene Kreditinstitut ausgesetzt ist. Dazu bietet sich eine ESG-Risikoinventur an, mit der systematisch über alle betroffenen Bereiche analysiert wird, welche ESG-Risiken mit den einzelnen Geschäftstätigkeiten verbunden sind. Ist sich ein Institut seiner ESG-Risiken bewusst, kann es diese in seinen Prozessen berücksichtigen, Quantifizierungsansätze entwickeln und die Risiken steuern. Umfang und Komplexität des Umgangs mit ESG-Risiken sollten sich entsprechend dem Proportionalitätsprinzip danach richten, wie stark das jeweilige Kreditinstitut von ESG-Risiken betroffen ist. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die ESG-Risiken im Laufe der Zeit ändern können.

Bedeutung für Kunden

Die BaFin verlangt, dass in den Kreditentscheidungsprozessen ESG-Risiken bewertet werden. Dafür ist es erforderlich, sich mit den ESG-Risiken des Kreditnehmers bzw. des zu finanzierenden Objekts auseinanderzusetzen. Um dieses leisten zu können, wird es erforderlich sein, geeignete Daten zu erheben, welche zu einem ESG-Score verdichtet werden können. Es wird eine Datenstrategie benötigt, aus der sich ableiten lässt, für welche Produkte und welche Kundengruppen, welche Daten benötigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Daten den jeweiligen Kunden vorliegen und wie diese ressourcenschonend erhoben werden können.

Ausblick

Die IB.SH hat ein bereichsübergreifendes ESG-Projekt gestartet, welches sich mit diesen Fragestellungen befasst und Lösungen erarbeitet. Mit der Einführung der 7. MaRisk-Novelle und der Umsetzung in den Instituten ist die Entwicklung hinsichtlich ESG jedoch nicht abgeschlossen. Es gibt auf europäischer Ebene weitere ESG-Initiativen wie z. B. die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), welche die Offenlegung von Nachhaltigkeitsaspekten regelt, oder die Capital Requirements Regulation (CRR - Kapitaladäquanzverordnung), welche Banken und Kunden auch zukünftig betreffen werden.

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